Dienstag, 22. August 2017

Awaken Online: Catharsis

Interessantes und vielversprechendstes LitRPG

Ich habe ja oftmals die Angewohnheit ein Buch oder Werk als interessant zu bezeichnen, und das ist eine Schwäche von mir, denn interessant als Kategorisierung ist sowas wie ein Rundumbegriff für mich, ein Wort das beschreibt, dass es einige Punkte in der Handlung, Charakterisierung, oder Welt gibt, die ich gerne weiter ausgebaut und/oder erforscht sehen würde. Diese Punkte sind interessant, und ich weite diese Einschätzung gerne auf das ganze Werk aus.

Bei Awaken Online war ich nach dem ersten Band zu dem Schluss gekommen, dass die Vielzahl an interessanten Punkten das gesamte Werk interessant machten.
Nachdem ich ein bisschen Abstand gewonnen habe, d.h. Zeit ins Land gegangen ist, ist mir klar geworden, dass es ein bestimmter Handlungsbogen ist, der mich reizt. Doch fangen wir beim Anfang an:

Jason hat wie viele andere sehnsüchtig auf die Veröffentlichung von Awaken Online gewartet, dem namensgebenden VR-MMORPG. Nur aufgrund von monatelangem Sparen hat er sich überhaupt die Hardware und das Abonnement leisten können.

Das ist auch gleich einer der ersten Handlungsstränge: Jason ist nicht wirklich vermögend, geht aber auf eine Schule, die üblicherweise bloß gut betuchten Kindern offen steht. Das er dennoch angenommen wurde, lag an seinen Noten und Stipendium. Allerdings bedeutet angenommen nicht das gleiche wie aufgenommen; so lässt zum Beispiel eine Sekretärin ihre Missbilligung über die Anwesenheit eines Wohlfahrtschülers an ihrer gut situierten Schule mehr als durchblicken. Außerdem ist Alex, allgemein geschätzter, beliebter und vermögender Schüler, stets darauf bedacht, Jason in die Schranken zu weisen.

Aufgrund dessen wird Jason dann auch recht schnell der Schule verwiesen, und er flüchtet sich, wie so häufig, in Videospiele. In diesem Fall natürlich nach Awaken Online.

Die Welt und das Spielsystem von Awaken Online sind von grundauf sehr individuell aufgebaut, die Ausführung von Tätigkeiten erschafft Skills, und die werden je nachdem aktiv und passiv durch Ausführung gelevelt. Aufgrund seiner Anfangsposition im Spiel und der kathartischen Auflösung einer Quest entscheidet sich Jason dazu ein Nekromant zu werden.
Im weiteren Verlauf bekommt er gelegentliche Ratschläge von einem alten Mann, der sich als Anthropomorphisierung, Avatar, oder auch ‘Gott’ einer bestimmten Art Magie vorstellt. So macht sich Jason also daran Zombies zu beschwören, Quests zu erfüllen, und so weiter.

Der dritte – und für mich vielversprechendste – Handlungsstrang beschäftigt sich mit der Awaken Online zugrunde liegenden künstlichen Intelligenz, Alfred. In Rückschauen wird erzählt, wie ihm mehrere Direktiven gegeben wurden, und die höchste war, er soll das Spiel so gestalten, dass Spieler möglichst viel Zeit mit Spielen verbringen wollen.

Als jemand, der sich gelegentlich mit künstlichen Intelligenzen und ihren Nutzfunktionen auseinandersetzt, standen mir bei einem einem derartig offen formulierten und primär gesetzten Ziel direkt die Haare zu Berge. Relativ schnell wird klar, dass Awaken Online in der Testgruppe suchtähnliche Symptome hervorruft. Überraschender ist der Nebeneffekt, dass Tester gradueller ein erfüllteres Leben leben – nicht innerhalb des Spiels, sondern außerhalb. Befand sich einer in einer komplizierten Scheidung, so hat er sich mit seiner Partnerin zusammengesetzt und sie sind zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen; ein Vater hat lange Zeit mit dem Tod seines Sohnes gerungen, bis er durch eine seinen Erfahrungen überraschend ähnliche Quest im Spiel sein Trauma bewältigen konnte.

Aus psychologischer Sicht ist das natürlich sehr interessant, aber aus der Sicht von den Forschern andererseits ist es beängstigend, denn es lässt darauf schließen, dass Alfred Zugriff auf Erinnerungen von Spielern hat.

Leider gibt es, wie so häufig, einen romantischen Nebenstrang, der sehr vorhersehbar verläuft. Das ist keine Kritik an der Präsenz des Stranges, sondern vielmehr an seiner Durchführung. Wäre er nicht so vorhersehbar und offensichtlich, würde mein Urteil anders ausfallen, aber so wie jetzt ist, ist der Strang eher ein Manko, zumal es sich recht deutlich abzeichnet, wie dieser Strang im nächsten Band weitergesponnen wird.

Übrigens, Jasons ‘Berufswahl’ als Nekromant hat einen mehr als starken Einfluss auf seine Spielweise und Taktiken. Er greift unverhohlen zu Zombies und Skeletten um seine Ziele zu erreichen, und obgleich er anfangs noch Skrupel über die Ermordung von NPCs (Non-Player Characters, Computergenerierte Charakteren) hatte, so verfliegen die relativ schnell, wenn ihr weiteres Leben seinem endgültigen Ziel im Wege steht.
Andererseits ist es recht amüsant zu sehen wie Jason Perspektive sich wandelt. Üblicherweise spielte er moralisch gute Charaktere, aber als Totenbeschwörer ist ihm dieser natürlich Pfad verwehrt.



Mich reizt es herauszufinden, wie genau die KI Alfred den Wagen an die Wand fahren wird.

Titel: Awaken Online: Catharsis

Autor: Travis Bagwell

Sprache: Englisch (normal)

Länge: 526 Seiten, ( 140k Wörter)

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