Mittwoch, 30. August 2017

Luck Stat Strategy (Secret of the Old Ones 1)

Im Vordergrund ist ein athletischer, junger Mann mit Degen und spätviktorianischer Kleidung (halb Steampunk). Im Hintergrund eine Kutsche und diverse Gebäude im Stil typisch für Neuengland.
Charakterisierungsarmes LitRPG

Trent spielt seit einem Jahr Secret of the Old Ones (SoO), das heißeste VRMMO auf dem Markt, und nach so langer Zeit hat sich seine Charaktergestaltung endlich gelohnt, denn er hat Zugriff auf einige legendäre Items bekommen.
Seine Strategie? Glück. Während in anderen Spielen Charakterwerte wie Glück und auch Charisma unter ferner liefen fallen, hat Trent das ganze umgekehrt und die Hälfte seiner Punkte in Glück investiert. Das heißt zwar, dass er einerseits schwächer ist als Spieler auf seiner Stufe, aber andererseits ist seine Wahrscheinlichkeit seltene Gegenstände zu finden ungleich höher.

Dummerweise wurde seine Entdeckung dieses legendären Gegenstands über eine Systemnachricht der ganzen Welt mitgeteilt, und es gibt viele skrupellose Menschen, die den Gegenstand selber haben und verkaufen wollen und dabei auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.

Dieser Punkt in der Weltgestaltung ist in meinen Augen auch der schwächste. SoO ist aus irgend einem Grund so populär, dass es große Firmen gibt, die aus dem Streamen der Topspieler ein Geschäftsmodell gemacht haben, komplett mit eigenen Wohnkomplexen abgeschottet von möglichen Bedrohungen, eigenem Sicherheitsdienst, und so weiter. Irgendwie scheint mir das unglaubwürdig, zumindest in einem unserem allzu ähnlichen Wirtschaftssystem. Allerdings würde es mich auch nicht wundern, wenn es in 50 Jahren plausibel erscheint, wenn auch überzogen.

Wie dem auch sei, die virtuelle Welt von SoO ist eine seltsamer Mischung von H.P. Lovecraft und Steampunk, und Trent macht aus seiner Verachtung für letzteres wenig Hehl. Interessanter ist das Level-System; Fähigkeiten, welche man auch im echten Leben beherrscht, fallen einem im Spiel auch einfacher. Mit anderen Worten trifft ein real guter Bogenschütze seine Ziele im Spiel mit einem Bogen auch besser als jemand, der nie einen Bogen in die Hand genommen hat. Das Spiel hilft einem zwar, aber wenn man von sich aus schon Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringt, so wird dies im Spiel gewürdigt, und zwar in einem Maße, dass der Erwerb und das Training von spielrelevanten Fähigkeiten außerhalb des Spiels bei professionellen Spielern Teil des Spiels an sich ist.

Kommen wir nun zum zweischneidigen Schwert: Luck Stat Strategy ist kurz. Die meisten Bücher sind über 80k Wörter lang, und dieses kommt gerade mal auf knapp 47k. Der Autor hat selbst gesagt, dass dies ein Ziel von ihm war, im Prinzip ein ganzes Buch auf die Hälfte seiner Länge einzudampfen. Dabei kommt aber die Charakterisierung der Figuren zu kurz. Trent und seine Kumpanen gehen mir herzlich am Arsch vorbei, und die eingangs beschriebene Bedrohungssituation berührt mich gerade deswegen nicht. LitRPGs schmücken sich so oder so schon nicht mit allzu tiefgreifender Charakterisierung, und hier fällt sie nochmals flacher aus.
Wenn ich so überlege war sogar Spinward besser charakterisiert, und deren Hauptcharakterin kam mir eher wie eine Vierzehnjährige mit ADS vor.



In Teilen interessant, aber generell schwach ausgeführt.

Titel: Luck Stat Strategy

Autor: Blaise Corvin

Sprache: Englisch (normal)

Länge: 234 Seiten (47k Wörter)

Samstag, 26. August 2017

Strong Female Protagonist


Name ist Programm

Im Verlauf der letzten Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, hat sich ein Bedürfnis in mir herauskristallisiert: tiefgreifende Charakterisierung von handelnden Personen mit glaubwürdigen und nachvollziehbaren Motiven. Dieses Bedürfnis ist es, welches mich Serien wie Firefly so sehr wertschätzen lässt, denn ich dürste nach nachvollziehbaren Charakteren durch die Bank weg, nicht bloß in ein, zwei Hauptcharakteren und dem Rest als Pappfiguren.

In diesem Sinne ist Strong Female Protagonist auf dem richtigen Weg. Die Handlung folgt Alison, einer ehemaligen Superheldin, die vor laufender Kamera ihre Maske abgenommen hatte und nur noch ein relativ normales Leben führen will. Sie besucht eine Hochschule, studiert Politik und Soziologie, und arbeitet nebenbei bei der Feuerwehr.

Allerdings lässt ihre Vergangenheit sie nicht in Ruhe. Superhelden sind nämlich erst seit wenigen Jahren überhaupt ein Ding, und aufgrund der Umstände ihrer Entstehung ist keiner älter als Anfang zwanzig. Es gibt keine ältere und weisere Generation, die den Sprösslingen den Weg weisen kann; die Gesetzgebung hinkt immer noch hinter der veränderten Ausgangslage hinterher, und das übliche Superhelden-Superschurken-Schema wurde von den Kindern mit Superkräften bloß aufgegriffen, weil es vorhanden und im Vordergrund war. In anderen Kulturkreisen gibt es auch Superkräfte, aber das Auftreten von dermaßen ausgestatteten Personen folgt nicht dem gleichen Muster wie in den USA.

Der Webcomic beschäftigt sich sehr mit den alltäglichen und sekundären, ja ich möchte sagen vernachlässigten Aspekten typischer Superheldenuniversen. So gibt es viele Jugendliche, deren Superkräfte sie offensichtlich umgestaltet haben; das reicht von einfach blauer Haut über anthropomorphe tierähnliche Gestalt hin zu vollkommener Körperlosigkeit. Alison gehört nicht dazu, und ihre Kräfte sind effektiv auf Superman-Niveau, d.h. ihr kann keiner wirklich das Wasser reichen.

Alison: "Bullshit, You’re one of the Guardians. I went berserk a few months back, and they didn’t arrest me." – "That has nothing to do with being a Guardian, Al! They can’t do anything to you!. The rationalise reasons that you shouldn’t be in jail to make it okay that they can’t put you in jail! That’s how they do things. They make reasons for things to be okay the way they are.
Demaskierung ist nicht so einfach für andere
Aufgrund dieser Position und Kräfte hatte sie überhaupt das Privileg sich demaskieren zu können ohne allzu negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Niemand konnte ihr wirklich was anhaben, da sie quasi der größte Fisch im Teich ist, und sie könnte sich, theoretisch, ohne Schwierigkeiten in die Gesellschaft integrieren.

Nicht nur wegen ihres Studiums sondern auch dank persönlicher Interessen ist Alison sich über diese Probleme bewusst und scheut nicht davor zurück, sich diesen zu stellen, oder auch andere zur Rede zu stellen. Soziale Gerechtigkeit liegt ihr am Herzen, und sie erkennt an, dass sie bloß eine Person ist, und dass Gerechtigkeit und gesellschaftliche Prinzipien und Veränderung nur von vielen herbeigeführt werden können, nicht von einigen wenigen, denen die Natur Holzhammer in die Wiege gelegt hat.

Der einzige Wermutstropfen in meinen Augen war die etwas linkisch ausgeführte romantische Nebenhandlung.

Professor: "You are the freest being they’ve ever met, and I doubt they’ll ever forgive you for it. It may be right for you to address the injury you have caused. But no matter what you do, this person may still hate you. Truth be told, I’ve never known what to do with freedom. A goddess worshipped by slave and master alike. And it seems obvious which of her acolytes she favours more. I have always suspected she was Power, by a different name."
Achtung: Hirnzellen helfen hier
Und eine Warnung, falls das noch nicht ausreichend klar geworden ist bisher, Strong Female Protagonist verwendet sehr viel Zeit auf Charakterisierung und die Erkundung von Ideen und Konzepten, sowohl im übertragenen als auch praktischeren Sinne. So gibt es zum Beispiel eine mehrere Seiten spannende Szene zwischen Alison und ihrem Ethik-Professor, bei dem beide eine halb-monologe Argumentation mit sich selbst halten, in derer sie ihre Standpunkte dem anderen, aber auch sich selbst klar machen.



Sehr guter, aber auch sehr eigener Webcomic.

Titel: Strong Female Protagonist (URL: https://strongfemaleprotagonist.com)

Autor: Brennan Lee Mulligan

Status: laufend, ca 2x die Woche

Sprache: Englisch (normal)

Länge: >500 Seiten, die ersten 240 Seiten schwarz-weiß, ab Kapitel 5 durchgehend farbig

Dienstag, 22. August 2017

Awaken Online: Catharsis

Interessantes und vielversprechendstes LitRPG

Ich habe ja oftmals die Angewohnheit ein Buch oder Werk als interessant zu bezeichnen, und das ist eine Schwäche von mir, denn interessant als Kategorisierung ist sowas wie ein Rundumbegriff für mich, ein Wort das beschreibt, dass es einige Punkte in der Handlung, Charakterisierung, oder Welt gibt, die ich gerne weiter ausgebaut und/oder erforscht sehen würde. Diese Punkte sind interessant, und ich weite diese Einschätzung gerne auf das ganze Werk aus.

Bei Awaken Online war ich nach dem ersten Band zu dem Schluss gekommen, dass die Vielzahl an interessanten Punkten das gesamte Werk interessant machten.
Nachdem ich ein bisschen Abstand gewonnen habe, d.h. Zeit ins Land gegangen ist, ist mir klar geworden, dass es ein bestimmter Handlungsbogen ist, der mich reizt. Doch fangen wir beim Anfang an:

Jason hat wie viele andere sehnsüchtig auf die Veröffentlichung von Awaken Online gewartet, dem namensgebenden VR-MMORPG. Nur aufgrund von monatelangem Sparen hat er sich überhaupt die Hardware und das Abonnement leisten können.

Das ist auch gleich einer der ersten Handlungsstränge: Jason ist nicht wirklich vermögend, geht aber auf eine Schule, die üblicherweise bloß gut betuchten Kindern offen steht. Das er dennoch angenommen wurde, lag an seinen Noten und Stipendium. Allerdings bedeutet angenommen nicht das gleiche wie aufgenommen; so lässt zum Beispiel eine Sekretärin ihre Missbilligung über die Anwesenheit eines Wohlfahrtschülers an ihrer gut situierten Schule mehr als durchblicken. Außerdem ist Alex, allgemein geschätzter, beliebter und vermögender Schüler, stets darauf bedacht, Jason in die Schranken zu weisen.

Aufgrund dessen wird Jason dann auch recht schnell der Schule verwiesen, und er flüchtet sich, wie so häufig, in Videospiele. In diesem Fall natürlich nach Awaken Online.

Die Welt und das Spielsystem von Awaken Online sind von grundauf sehr individuell aufgebaut, die Ausführung von Tätigkeiten erschafft Skills, und die werden je nachdem aktiv und passiv durch Ausführung gelevelt. Aufgrund seiner Anfangsposition im Spiel und der kathartischen Auflösung einer Quest entscheidet sich Jason dazu ein Nekromant zu werden.
Im weiteren Verlauf bekommt er gelegentliche Ratschläge von einem alten Mann, der sich als Anthropomorphisierung, Avatar, oder auch ‘Gott’ einer bestimmten Art Magie vorstellt. So macht sich Jason also daran Zombies zu beschwören, Quests zu erfüllen, und so weiter.

Der dritte – und für mich vielversprechendste – Handlungsstrang beschäftigt sich mit der Awaken Online zugrunde liegenden künstlichen Intelligenz, Alfred. In Rückschauen wird erzählt, wie ihm mehrere Direktiven gegeben wurden, und die höchste war, er soll das Spiel so gestalten, dass Spieler möglichst viel Zeit mit Spielen verbringen wollen.

Als jemand, der sich gelegentlich mit künstlichen Intelligenzen und ihren Nutzfunktionen auseinandersetzt, standen mir bei einem einem derartig offen formulierten und primär gesetzten Ziel direkt die Haare zu Berge. Relativ schnell wird klar, dass Awaken Online in der Testgruppe suchtähnliche Symptome hervorruft. Überraschender ist der Nebeneffekt, dass Tester gradueller ein erfüllteres Leben leben – nicht innerhalb des Spiels, sondern außerhalb. Befand sich einer in einer komplizierten Scheidung, so hat er sich mit seiner Partnerin zusammengesetzt und sie sind zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen; ein Vater hat lange Zeit mit dem Tod seines Sohnes gerungen, bis er durch eine seinen Erfahrungen überraschend ähnliche Quest im Spiel sein Trauma bewältigen konnte.

Aus psychologischer Sicht ist das natürlich sehr interessant, aber aus der Sicht von den Forschern andererseits ist es beängstigend, denn es lässt darauf schließen, dass Alfred Zugriff auf Erinnerungen von Spielern hat.

Leider gibt es, wie so häufig, einen romantischen Nebenstrang, der sehr vorhersehbar verläuft. Das ist keine Kritik an der Präsenz des Stranges, sondern vielmehr an seiner Durchführung. Wäre er nicht so vorhersehbar und offensichtlich, würde mein Urteil anders ausfallen, aber so wie jetzt ist, ist der Strang eher ein Manko, zumal es sich recht deutlich abzeichnet, wie dieser Strang im nächsten Band weitergesponnen wird.

Übrigens, Jasons ‘Berufswahl’ als Nekromant hat einen mehr als starken Einfluss auf seine Spielweise und Taktiken. Er greift unverhohlen zu Zombies und Skeletten um seine Ziele zu erreichen, und obgleich er anfangs noch Skrupel über die Ermordung von NPCs (Non-Player Characters, Computergenerierte Charakteren) hatte, so verfliegen die relativ schnell, wenn ihr weiteres Leben seinem endgültigen Ziel im Wege steht.
Andererseits ist es recht amüsant zu sehen wie Jason Perspektive sich wandelt. Üblicherweise spielte er moralisch gute Charaktere, aber als Totenbeschwörer ist ihm dieser natürlich Pfad verwehrt.



Mich reizt es herauszufinden, wie genau die KI Alfred den Wagen an die Wand fahren wird.

Titel: Awaken Online: Catharsis

Autor: Travis Bagwell

Sprache: Englisch (normal)

Länge: 526 Seiten, ( 140k Wörter)

Freitag, 18. August 2017

Paradox: Am Abgrund der Ewigkeit

Konzentrisch dreigeteiltes Bild: Am Grund ein Planet, darüber ein Sternenhimmel, zum Schluss eine schwarze Leere, in der ein Raumschiff wegfliegt.
Akzeptables und deprimierendes Erstlingswerk

Dieses Mal habe ich mich in die deutschsprachige Science-Fiction gewagt, nämlich Phillip P. Petersons Paradox. Worum geht es?

Am Rande des Sonnensystems verschwinden Sonden, welche die NASA vor Jahrzehnten hinausgeschickt hat, auf unerklärliche Weise. Es ist nicht einfach so, dass sie aufhören zu senden, nein, sie verschwinden wirklich. Und ein Multimilliardär will wissen wieso.

Also baut er eine eigene Sonde, schickt sie nach draußen, und auch sie verschwindet. Irgendwas stimmt da offensichtlich nicht, und da sein Ziel die Kolonialisierung von anderen Sternen ist, schickt er als nächstes ein Raumschiff an den Rand des Sonnensystems.

Dort hinten lag die Erde. Wie eine blaue Perle vor einem schwarzen Samtvorhang. Sie war immer noch groß. Deutlich größer als der Vollmond von der Erde aus. Und doch konnte er sie mit seiner Hand abdecken.
»Alle Menschen, die es gibt, sind auf dieser kleinen Kugel, die einsam ihre Bahnen inmitten des Alls zieht wie eine Insel des Lichts in einem Ozean der Finsternis«, meinte Wendy mit heiserer Stimme. »Und ihre Bewohner haben nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig umzubringen und in ihrer Habgier den Planeten zu ruinieren.«
— Paradox: Am Abgrund der Ewigkeit, Kapitel 38

Die Mannschaft ist sich nicht ganz du, denn sie rekrutierte sich aus gleichen Teilen von der NASA und der Belegschaft des Milliardärs. Für die NASA ist das ganze mehr eine ihr aufgezwungene PR-Aktion, denn sie betrachtet die Raumfahrt als ihr Hoheitsgebiet, und will sich da nicht von privaten und kommerziellen Akteueren drin herumpfuschen lassen, insbesondere nicht bei der ersten bemannten Mission jenseits des Mondes.

Da das Raumschiff aber mehr oder weniger von dem Milliardär gestellt wird, sind Konflikte natürlich vorprogrammiert. Dies wird vor allem bei Ed, dem Kapitän deutlich. Er ist ein Astronaut des alten Schlages, und er hat es nie wirklich verkraften können, dass die NASA nach den beiden Shuttleunglücken so sehr den Schwanz eingezogen hat.

Überhaupt ist Ed ein eher unangenehmer Zeitgenosse, der vor allem von Wut angetrieben zu sein scheint. Dabei ist er selbst sich nicht wirklich sicher, auf was er wütend ist; sich selbst, die NASA, den Milliardär, die Welt, oder was auch immer.

Dies ist mehr oder weniger auch mein größter Kritikpunkt am Roman. Keiner der Charaktere ist wirklich sympathisch, und ich meine das nicht nur von ihrer Persönlichkeit her, sondern von ihrer Funktion als Identifikationsfigur. Möglicherweise wären die anderen noch aufgetaut mit der Zeit, aber aufgrund der prominenten Perspektive von Ed und seinen Vorurteilen konnte ich mich mit keinem so recht anfreunden.



Alles in allem ist Paradox ein solides Erstlingswerk, hat aber noch viel Verbesserungspotential.

Titel: Paradox: Am Abgrund der Ewigkeit

Autor: Phillip P. Peterson

Länge: 480 Seiten ( 107k Wörter)

Montag, 14. August 2017

Der Ewige Krieg | The Forever War

Cover der deutschen AusgabeEin Soldat in einem futuristischen Weltraumanzug posiert mit Waffe, im Hintergrund ist eine Reihe weiterer Soldaten, eine futuristische Zitadelle, Raumschiffe, und ein Planet. Stimmt wenig mit den Handlungsorten und -beschreibungen überein.
Parable über die Entfremdung zwischen Soldat und Zivilgesellschaft

Der Ewige Krieg beschreibt den Krieg zwischen Menschen und Tauriern, einer außerirdischen Spezies. Dieser Krieg wird, wie zu erwarten im Weltraum ausgetragen, aber zu großen Teilen auch an Land, mit Garnisonen, befestigten Stellungen und Bunkern, auch wenn diese bis an die Zähne mit Gigawattlasern und Bomben ausgestattet sind, gegen welche Atombomben wie Spielzeuge wirken.

Gerade diese Landkonflikte sind der Fokus des Romans. Mandalla ist einer der ‘Glücklichen’, die direkt zu Beginn des Krieges eingezogen werden, und aufgrund der Technologie verbringen die Soldaten den größten Teil ihrer Zeit, sowohl objektiv als auch subjektiv, unterwegs. Diese Unterscheidung ist notwendig, da die Reisen für die Soldaten bloß Monate dauern, während auf der Erde Jahrzehnte oder Jahrhunderte vergehen.

Und so kehrt Mandalla nach seinem ersten Einsatz auf eine Erde zurück, die ihm mehr als fremd erscheint.

Haldeman hat den Ewigen Krieg im Nachzug und mit den Erfahrungen seines Vietnameinsatzes geschrieben und portraitierte somit die zunehmende Entfremdung zwischen der Gesellschaft, aus der die Soldaten damals in den Krieg zogen, und die Gesellschaft, in welche sie zurückkehrten. Während sie als zukünftige Helden auszogen, die das richtige für ihr Land taten, kehrten sie in ein Umfeld zurück, das sie als Kriegstreiber und Meuchler ansah.

Ähnliche, wenn auch eigene Pfade werden im Ewigen Krieg beschritten. Mandalla und den anderen Soldaten ist die Situation ‘zuhause’ befremdlich und er meldet sich für einen Posten in einem ihm vertrauteren Umfeld, bloß um sofort neu eingezogen zu werden. Auch dies spiegelt die Erfahrungen Haldemans mit der Willkür in militärischen Bürokratien wieder.

Ich habe die erste Hälfte das Hörbuch gehört, bin aber aufgrund der Thematik anschließend zum Ebook gewechselt. Bei einem zweites Lesen werde ich ganz auf das Hörbuch verzichten; nicht weil es schlecht ist, sondern weil ich finde, dass der Konsum übers Auge aktiver und beteiligender erfolgt als übers Ohr.
Die Erzählung ist solide, allerdings ist George Wilson kein Rupert Degas.



Alles in allem ein bedrückender und Roman, der stellenweise unter die Haut geht.

Titel: Der Ewige Krieg | The Forever War

Autor: Joe Haldeman

Sprache: Deutsch | Englisch (verständlich, militärische Fachbegriffe)

Länge: 336 Seiten | 256 Seiten (80k Wörter), 9:19 Stunden

Donnerstag, 10. August 2017

Spinward

Unausgereiftes Science-Fiction LitRPG

Susan ist eine Angestellte, Mitte Zwanzig, die seit Jahren Videospiele spielt und sich direkt zur Veröffentlichung bei dem lang erwarteten immersiven Science-Fiction MMO Spinward einloggt. Nach den ersten Minuten Einführung, Charaktererstellung, und dergleichen stürzt sie sich direkt ins Spiel. Obwohl Spinward im Weltraum spielt, sind Raumschiffe nicht direkt verfügbar, man muss sich erst hocharbeiten. In dem Sinne kommt Cal ihre Erfahrung aus anderen Spielen zu gute und sie questet, mit dem Ziel sich ein Raumschiff leisten zu können.

Glücklicherweise stößt sie während einer Quest auf ein Raumschiff samt Kapitän, die beide in einem Hangar vor sich hinrotteten. Damit rückt Cals Ziel natürlich näher, aber bevor sie das Schiff fliegen kann, muss es erstmal flugtauglich werden, diverse Lizenzen eingeholt werden, und eine Mannschaft ist auch noch nötig.

Soviel dazu.

Ich habe mir Spinward zu Gemüte geführt, weil es drei attraktive Merkmale aufweist:
  • LitRPG
  • weiblicher Protagonist und 
  • Science Fiction. 
Leider wurde ich enttäuscht, wenn auch nicht in der Art und Weise, mit der ich gerechnet habe. Meine Erwartungen gingen in die Richtung, dass der Hauptcharakterin alles zufliegt, dass sie was besonderes ist, wie es halt in vielen LitRPGs der Fall ist. Dies ist erfreulicherweise nicht der Fall, denn Cal hat zwar Glück mit ihren Drops, aber es ist halbwegs begründet: sie hatte ein Premium-Einsteigerpaket gekauft, welches die Wahrscheinlichkeit von hochwertigen Drops erhöhte. Daher ist sie eine der ersten, die ein Raumschiff ihr eigen nennen durfte, auch wenn es nicht flugfähig war.

Auch wird die zugrundeliegende Technologie nicht weiter vertieft. In Spinward wird die Immersion durch geteilte Wachträume erzeugt, in denen man effektiv bewusst und wach ist, aber zugleich die Erholung von regulärem Schlaf erfährt. Es wird in keiner Weise erzählt oder darauf eingegangen, wie sich solch eine Technologie auf die Gesellschaft auswirken würde, was ich sehr schade finde. Das haben andere LitRPGs schon besser hinbekommen.

Auch scheint Cal bei weitem nicht die geistige Reife zu besitzen, die man ihr aufgrund ihres Alters oder Berufs zuschreiben würde, denn der Autor stellt ihre Erzählweise als sehr… nah an ihrem Gedankengang nah. Man hat das Gefühl direkt auf ihren Stirnlappen zu hängen und jeden Gedanken mitzubekommen, und die meisten entsprechen nicht den wohlüberlegten Taktiken, die ich von einer in anderen MMOs erfahrenen und halblegendären Spielern erwarten würde.

Woran es aber vor allem mangelt ist ein Spannungsbogen. Ja, Cal kommt ins Spiel, setzt sich Ziele, etc, aber sie steht unter keinem Druck, muss gegen nichts konkretes ankämpfen, außer sich selbst. Ja, ‘Monster’ und sowas existiert, aber das sind keine Spannungsherde über ihre Szenen hinaus.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Manko ist, dass anscheinend kein Mensch das Buch Korrektur gelesen hat. Fehler reihen sich an Fehler, ohne Ende. Die Masse an Fehlern ist dabei die Wortwahl. Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass jemand über den Text mit einem Rechtschreibprogramm gegangen ist und einfach die Option “Alle Markierungen ändern” gewählt hat. Anders kann ich mir die hohe Anzahl an there/their-Fehlern und wiederholten Phrasen und wiederholten Phrasen nicht erklären.



Ich weiß, dass dies ein Erstlingswerk ist, aber trotzdem, man sollte zumindest jemand kompetentes Korrektur lesen lassen.

Titel: Spinward: An Artificial Dream State Novel

Autor: I. M. Waugh

Sprache: britisches Englisch, mit entsprechenden Eigenheiten (aufgrund der hohen Fehlerkorrekturnotwendigkeit sollte man besseres Englisch beherrschen)

Länge: 329 Seiten (Amazon-Zählung), 102k Wörter

Sonntag, 6. August 2017

Unser Leben dort

Robinsonade eines Kolonieabbruchs

Unser Leben dort erzählt die Geschichte einer fehlgeschlagenen Kolonie auf einem fremden Planeten. Anstatt wie geplant 500 erwachsene und voll ausgebildete Menschen in eine vorbereitete Kolonie zu entlassen, schlägt etwas schief und die Künstliche Intelligenz (KI) führt einen Abbruch der Kolonie durch, der aber wiederum abgebrochen wird. Kaum sechzig halb ausgebildete Jugendliche schaffen es aus den brennenden Überresten der Kolonie.

Fortan wird die Geschichte aus der Perspektive von Porter erzählt, der ursprünglich als Psychologe vorgesehen war, aber genau wie alle anderen sich weit jenseits seines Ausbildungsfeldes betätigen muss. Er knüpft Bande mit anderen Kolonisten, die sich alle in derselben Lage wie er befinden, und berät dabei den neuen Anführer, Stevens, über den geistigen und moralischen Zustand der Kolonie.

Doch allzu schnell kommt es zu Konflikten, denn Stevens hat andere Prioritäten als die KI, die möglichst schnell eine Nachricht nach Hause schicken will.

Soviel dazu.

Ich war sehr überrascht von der introspektiven Ich-Perspektive von Porter, aber in Anbetracht seiner – wenn auch abgebrochenen – Ausbildung als Psychologe war das wohl vorherzusehen. Porter bemüht sich wie alle anderen sich in dieser überaus unerwarteten Situation zurechtzufinden, Freundschaften zu pflegen, und vor allem zu überleben.

Da er, wie alle anderen Überlebenden, etwa 15 Jahre alt ist – die Reifung und Ausbildung der Kolonisten war bei weitem nicht abgeschlossen – versucht er natürlich seine Platz in der Welt zu finden, und was diese Gefühle bedeuten, die er für seine Freunde entwickelt. Ist es Liebe, und wenn, welche Art, brüderlich, freundschaftlich, oder romantisch?

Mir hat diese Ausarbeitung und introspektive Herangehensweise seltsamen Anklang gefunden. Einerseits möchte ich es, einen überlegenden Charakter zu haben, der sich für die Gefühle seiner Freunde interessiert, und auch sorgt, wie sie auf sein Verhalten reagieren werden, andererseits konnte es auch etwas nervig sein. Ein bisschen ambivalent, ich weiß, aber so was es halt. Irgendwie erinnert mich das ganze an die Kapitel aus Michels Perspektive in Kim Stanley Robinsons Mars-Trilogie.



Alles in allem gut, und das erste mir bekannte Werk, das aus der Perspektive der Produkte dieser Art von Von-Neumann-Sonde erzählt.

Titel: Unser Leben dort

Autor: Hugh Howay (Übersetzer: Alfons Winkelmann)

Länge: 296 Seiten (65k Wörter)

Mittwoch, 2. August 2017

An Unwelcome Quest (Magic 2.0, Band 3)

4 Personen umrunden den herausstehenden Abhang eines Berges. Sie sind alle in mittelalterlich-bäuerlich gekleidet, haben aber Schwerter. Im Hintergrund ist eine schwarze Burg. Alles ist im 16-Bit-Ästhetik
Jetzt wird es ernst. Na ja, teilweise.

Im dritten Band von Magic 2.0 werden Phillip und Freunde entführt, ihrer magischen Fähigkeiten beraubt, und müssen eine klassische Quest durchstehen, komplett mit Kämpfen gegen wilde Kreaturen wir Sandwölfe. Oder Klippenwölfe. Oder Waldwölfe. Oder Flusswölfe.

The next wolf somehow attacked from behind, but by this point, Phillip had gotten the hang of waiting for them to leap, then pushing them off the cliff while they were in midair. All the others agreed: you wouldn’t want to mess with Phillip if you were both standing on a cliff. He had become the master of death by shoving.
— An Unwelcome Quest, Kapitel 7

Okay, die Quest ist eher schlecht als recht implementiert, zugegeben, aber wenn man nicht aufpasst, können die Wölfe durchaus gefährlich werden und einen verletzen.

Ich will den Grund für die Quest hier nicht vorwegnehmen, aber wer den vorigen Band gelesen hat, kann sich die verantwortliche Person denken.

Im Verhältnis zu den bisherigen Bänden geht es in An Unwelcome Quest ein bisschen blutiger zu. Glücklicherweise geht das nicht auf Kosten des Humors, den Meyer nach wie vor an erste Stelle gesetzt hat. Alle Charaktere sind leicht schnippisch zueinander, und erlauben sich dumme, aber nachvollziehbar menschliche Fehler.

In the middle of these turbulent hairpin turns, the canyon’s far wall narrowed into a teardrop-shaped spit of land that formed the inner bank of the bend. On this dry, stony outcropping, there was a castle so Gothic it might as well have been wearing black eyeliner.
(…)
Tyler said, “That must be Castle Cragganmore.”
“Are you sure?” Gary asked.
“We’re on the path to Castle Cragganmore,” Tyler explained, “and the path ends at that castle, so unless there’s another smaller castle hiding inside that castle, yeah, I’m pretty sure.”
— An Unwelcome Quest, Kapitel 9


Leider begeht Meyer wieder den gleichen Fehler wie im vorigen Band, d.h. er walzt die Ereignisse vorheriger Bände in einem Maße aus, dass man sie anschließend zumindest aus Neugier nicht mehr zu lesen braucht.

Auch die Motive des Antagonisten fielen relativ banal aus. Ich denke, dass nach drei Bänden und ähnlichen Motiven ich davon ausgehen kann, dass Meyer das entweder nicht besser kann, oder zumindest für Magic 2.0 nicht wertschätzt.



Alles in allem eine gelungene Fortführung. Innerhalb der Reihe gefiel mir der zweite Band allerdings am meisten.

Titel: An Unwelcome Quest (dt. etwa “Eine Unerwünschte Aufgabe”)

Autor: Scott Meyer
Sprecher: Luke Daniels

Sprache: Englisch (einfach-normal)

Länge: 432 Seiten, 115k Wörter