Montag, 6. Februar 2012

Homestuck

Homestuck ist problemlos einer der seltsamsten Webcomics, die ich bisher gelesen habe, und ich habe viele gelesen. Es gibt Zeitschleifen (sowohl offen als auch geschlossen), Weltbedrohungen, Internettrolle, Rollenspielelemente, weit mehr als einen Soundtrack, und allerhand mehr.

Allein die Besetzung erstreckt sich über mehr als ein Dutzend Charaktere, aber keine Bange, der Autor scheut sich nicht, diese mal zu totifizieren. Doch auch darüber muss man sich nicht zu viele Sorgen machen, denn der Tod ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. Wodurch man sterben kann? Buntblütige Trolle, einarmige, einäugige, fliegende radioaktive Hunde und cthulhuartige Greuelschrecken, um nur ein paar zu nennen. Und obgleich es an ihnen nicht mangelt, ist noch keiner an schlechten Wortspielen gestorben.

Inhalt

John Egbert freut sich auf seinen dreizehnten Geburtstag, denn an diesem Tag bekommt er Geschenke seiner drei Onlinefreunde Dave, Rose und Jade. Zudem ist es der Tag, an dem die Beta von SBURB ankommen soll, einem mit Vorschusslorbeeren überhäuften Online-Computerspiel. Das Spiel selbst ist auf Gruppenbildung ausgelegt, so dass man mit seinen Freunden gemeinsam spielt und gegenseitig Server füreinander wird. Nachdem sich John an seinem Harlekin-besessenem Vater vorbei geschlichen hat und einigen anderen Problemen, hält er schließlich die CD mit der Client-Version in den Händen, mit welcher er sich bei Rose einloggen kann. Anscheinend ist bei dem Spiel selbst noch kein Spieler überhaupt allzuweit gekommen, da ist der Ehrgeiz natürlich hoch. Da Rose der Server von John ist, kann sie an seinem Haus rumbauen, verschiedene Gegenstände kaufen und platzieren und später andere Gegenstände mittels eines der platzierten Geräte erschaffen. Dies alles kostet aber GRIST (Schrot), und keiner weiß, wie man an dieses Zeug kommt.

Während dessen erwehrt sich im Untergeschoss der Dad von John gegen Monster, die auf der Erde alles andere als üblich sind, von denen John aber noch nicht den Hauch einer Ahnung hat. Und dann wären da noch die Chattrolle, die seit längerer Zeit die vier Kinder belästigen...

Die Dramatik kommt zum Zuge als beim Aufstellen von einem der Geräte ein Countdown startet und sich ein Zusammenhang über all die abgebrochenen Erfahrungsberichte von SBURB mit den Meteoriteneinschlägen in letzter Zeit herauskristallisiert... Die Ziele des Spiels ohne Bedienungsanleitung sollte man anscheinend erfüllen, damit der Clientspieler überlebt, und wahrscheinlich auch für den Serverspieler.

Hintergrund

Ich könnte jetzt problemlos noch 5000 Wörter schreiben und Stück für Stück Homestuck nacherzählen, aber dann würde ich sehr vieles vorweg nehmen. So weit wie ich es bis jetzt beschrieben habe, geht es bis Seite vierhundert (mit unerwähnten Handlungssträngen).

Das mag viel wirken, aber ich gebe euch ein Größenverhältnis dazu, damit ihr euch eine Vorstellung davon machen könnt, was Homestuck umfasst: Über 4000 Seiten, mehrere Stunden Flashanimation und -spiel, über ein Dutzend Musikalben(u.A. Chiptunes, aber auch andere Genre), und viele, viele Handlungsstränge. Ich habe über vier Tage mit stark reduziertem Schlaf benötigt um auf den aktuellen Stand zu kommen, und das Suchtpotential alles auf einmal lesen zu wollen, ist enorm!

Das passiert, wenn ein Mann gerne Comics macht, eine postmoderne Herangehensweise hat und es sich für ihn genug lohnt, um davon leben zu können. Andrew Hussie, der Autor von Homestuck, verbringt überschlagsmäßig 90% seiner Zeit mit Homestuck und schafft es somit, im Schni 4-5 Updates pro Tag herauszubringen, wobei vor bestimmten Terminen (also größeren Updates wie Spielen oder Animationen) mitunter Pausen sind.

Interessant ist der Eindruck, den Homestuck vermittelt: Es ist absichtlich so ausgelegt, als wäre es nicht ein Comic sondern ein Spiel mit Texteingabe wie die frühen Textadventures, bei denen man etwas schreiben konnte und wenn das Programm gut war, diese Eingabe umzugesetzt wurde ("Kombiniere Hund mit Hahn" - "Bravo, du hast einen eierlegenden Huhnd geschaffen!"). Somit ist es also ein Webcomic im Gewand eines Spiels. Später gibt es Passagen, bei denen man wirklich die Kontrolle über einen Charakter übernehmen kann, also wird es ein spielbarer Webcomic im Gewand eines Spiels. Andrew Hussie liebt solche Verwirrungen offensichtlich, denn Homestuck ist voll davon. Die vierte Wand, welche die Geschichte vom Autor bzw. Publikum trennt, wird gelegentlich durchbrochen, es gibt Selbstreferenzen, Rückgriffe und so ziemlich alles, was man im großen Werkzeugkatalog der Postmoderne finden kann.

Aber wie IST es?

Während Homestuck am Anfang ausschließlich witzig ist, teilweise durch die simple Absurdität der durch Scheinspieler gegebenen Texteingaben, wächst die Handlung und fügt auch ernstere Elemente hinzu, ohne dabei die Witzigkeit zu vernachlässigen.

Ich rate euch nur, falls ihr ein Faible für Adventures und Rollenspiele habt, und gute Geschichten nicht aus der Hand legen könnt, konsumiert Homestuck in euren Ferien oder im Urlaub, denn es braucht seine Zeit und das Englisch ist teilweise durch die Verwendung obskurer Begriffe und Kofferworte etwas schwerer zu verstehen.

Titel: Homestuck

Autor: Andrew Hussie

Seiten: über 4000, häufig animierte GIFs, teilweise farbig

Zyklus: 30-40 Seiten/Woche

Sprache: Englisch


Andrew Hussie:
Oh, ich zeichne nicht einfach Homestuck...
ICH BESCHWÖRE DIESE UNERSCHROCKENE FANTASIELANDSCHAFT HERAUF AUS DEN TRÄNEN WEISHEITSMÜDER AUGEN VON FÜNFZIGTAUSEND IMAGINÄREN MAGIERN. MIT VERZAUBERTEM GRÖLEN, GEPLÜNDERT VON EINER GILDE FLEGELHAFTER MYTHISCHER ZWERGE, ZIEHE ICH SCHWERES LEINEN VON DEN BRUMEN DER INSPIRATION. UNERMESSLICHE KNOLLIGE RÄTSELSPINNEN PRESSEN DIE SEIDENEN STRÄNGE REINER LAUNE DURCH DIE SCHEUßLICHEN SPINNDRÜSEN IHRER HINTERLEIBER UND DIESE SIND ES AUS WELCHEN ICH DEN UNVERFRORENEN KOKON EXQUISITER LÜGEN WEBE. UND WENN ES SCHLÜPFT, WIRD EINE GROßE MOTTE DER ERREGUNG ERWACHEN UND BRÜLLEN UND IHRE FLÜGEL SCHLAGEN, UND DAS NIEDERFALLENDE PULVER WIRD DIE HUMORALIEN EINES UNGEHEUERLICHEN ALTEN BETTLERS FESTSETZEN UND SOMIT DEN GEIERHAFTEN, LEDRIGEN KLEMMGRIFF, WELCHEN ER UM DEINEN GEFANGENEN VERSTAND LEGTE, LÖSEN.


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