Freitag, 30. Dezember 2011

Bakuman.

Der Titel sagt rein gar nichts über den Inhalt aus. Aber dafür ist er angefüllt mit Handlung und Fakten und Betrachtungen und Überlegungen und Interna eines Mediums, welches von Millionen von Menschen täglich konsumiert wird.

Denn Bakuman. ist ein Manga über Manga schreiben und zeichnen. Es beginnt damit, dass der 14jährige Moritaka gedankenverloren ein Bild seines Schwarms Miho in sein Schulheft zeichnet. Als er feststellt, dass er das Heft in der Schule vergessen hat, will er es von dort abholen, wird aber von dem Klassenbesten Akito aufgehalten. Dieser hat sich die Skizzen und Bilder im Heft angeschaut und schlägt Moritaka vor, zusammen mit ihm Managua zu werden. Akito würde die Handlung schreiben, während Moritaka für die Story verantwortlich wäre.
Moritaka ist mehr als unwillig, denn durch die Erfahrungen seines verstorbenen Onkels, der selbst Mangaka war aber selbst nur einen Hit gelandet hat, hat Moritaka einen recht guten Einblick in das Leben und die Entbehrlichkeiten, welche ein professioneller Mangazeichner überstehen muss. Genauso ist ein einziger Erfolg nicht ausreichend, um abgesichert zu sein, sondern man muss vielmehr mehrere Hits landen und idealerweise auch noch verfilmt werden, ehe man sich wirklich Mangaka nennen darf und mehr ist als ein zeichnender Glücksspieler.
Überzeugt wird Moritaka also erst, als Akito herausbekommt, dass Miho Synchronsprecherin werden will und beide in einem Anfall von jugendlichem Leichtsinn bei Miho zu Hause über ihre jeweiligen Träume reden. Hatte Akito davor schon die Vermutung geäußert, dass Miho auch etwas für Moritaka empfinden würde, so bestätigt sich das nun auf etwas verquere Weise:
Die drei machen ab, dass Moritaka und Akito einen Manga schaffen werden, der so erfolgreich genug für eine Animeverfilmung wird und Miho wird die weibliche Hauptrolle sprechen! So weit so gut, aber... Moritaka macht dann den irrwitzigen Vorschlag, bei diesen Umständen Miho heiraten zu wollen. Und damit ist im Prinzip der romantische und motivierende Grundfaden gelegt, denn Miho stimmt zu. Unter der Bedingung, sich bis dahin nur über Mail (in Japan sind SMS quasi unbekannt) und so zu motivieren.

Und so beginnen die beiden ihre epische Quest. Die wirklich verdammt schwierig ist, denn anstatt einfach nur Monster killen zu müssen, geht es hier um die ständige Verbesserung der eigenen Fähigkeiten, dem Arbeiten an sich selbst und das Bestehen in einem heiß umkämpften Markt. Ziel ist eine Serie im Shonen Jump, einem verkaufsstarken Wochenmagazin, unterzubringen. Doch davor sind eine Menge Hürden zu überwinden...
Zuerst einmal muss beispielsweise die Aufmerksamkeit eines Redakteurs gewonnen werden, wofür eine solide Handlung und gute Zeichnungen notwendig sind. Gelegenheit bieten die regelmäßig stattfindenden Kurzgeschichtenwettbewerbe, die zugleich auch als Testballons für Geschichten mit Serienpotential genutzt werden. Falls man dann einem Redakteur ins Auge gefallen ist, wird dann mit diesem Rücksprache gehalten, wo etwas verbessert werden muss, welchen Weg man beim veröffentlichen einschlägt, was wahrscheinlich mehr und was weniger Erfolg haben wird.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass Bakuman einen sehr guten und fundierten Einblick in das Mangageschäft liefert, wie ihn wohl bloß wenige realisieren. Dabei sprechen die Macher aus Erfahrung, denn sie sind beide selbst ein Autorengespann in ähnlicher Konfiguration wie Akito und Moritaka.

Bemerkenswert fand ich persönlich vor allem die Lesedichte und den Lesefluss des Manga. Obwohl relativ viel Text vorkommt - bei diesem Thema sollte das einen aber nicht wirklich wundern - wird der Lesefluss davon nicht gestört. Ich wahr ehrlich gesagt sehr überrascht, als ich nach einem Band intensiven Lesens festgestellt habe, dass knapp zwei Stunden vorbei gegangen waren, anstatt der üblichen einen, der Manga dabei aber nicht langweilig gewesen war.

Die Zeichnungen sind oberes Regal, der realistische Zeichenstil ergänzt sich gut mit der realistischen Handlung und falls man die Death-Note-Zeichnungen gut fand, wird man wahrscheinlich hier noch eine Verbesserung feststellen. Ehrlich gesagt, glaube ich sogar leichte Einzüge von Kōsuke Fujishima (Oh! My Goddess!) im Charakterdesign erkannt zu haben. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass die Charaktere für ihr Anfangsalter (14 Jahre) zu alt wirken, da sie aber innerhalb von 10 Bänden auch vier Jahre älter werden, ohne großartige Zeitsprünge zu vollführen, fällt das mit den späteren Bänden nicht so sehr ins Gewicht.

Ein weiterer Punkt, den ich noch erwähnenswert finde, ist die hintergrundlastige Betrachtung des Erzählend an sich. Es wird gelegentlich eine interne Geschichte um Elemente bereichert oder etwas gestrichen, um gezielt einen Effekt zu erzielen. Die Arbeit und Handlung wird analysiert, die Erfolgsrezepte aus den Geschichten herausgekocht. Kurzgesagt: Dekonstruktion ist ein Steckenpferd.
Und wie bei jeder Dekonstruktion muss man damit rechnen, dass man dem Medium anschließend anders Wert entgegenbringt als man es ursprünglich tat - um die Entstehung von Zauberei zu wissen, entzaubert mitunter, lässt einen aber das Handwerk umso mehr schätzen.

Als Fazit sage ich, dass der Manga jedem zu empfehlen ist, der mal gerne einen detaillierten Blick hinter die Kulisse "Manga" werfen würde. Die Romantik allerdings ist nur eine Nebenhandlung.

Titel: Bakuman.

Autoren: Tsugumi Ōba (Handlung), Takeshi Obata (Zeichnung)

Bände: z.Zt. 11-12 in Deutschland, 16 in Japan

Seiten: ca. 200 jeweils, schwarz-weiß

Montag, 26. Dezember 2011

The Darth Side: Memoirs of a Monster

An und für sich lese ich kein Star Wars, weder offizielles noch fangeschaffenes, weil das Universum einfach zu umfassend ist um nicht darin zu ertrinken, aber als ich über Memoire of a Monster bin, war ich doch hellauf begeistert.

Aber worum geht es? Nun, das ganze ist ein (abgeschlossener) Blog, welcher die Tagebucheinträge von Darth Vader, rechte Hand des Imperators Palpatine wiedergibt. Es beginnt mit folgendem (gekürzten) Eintrag:
Moff Nur: You should try keeping a journal.
Darth Vader: A journal? Do you mean I should write a book?
Moff Nur: No, no. I mean like a diary.
Darth Vader: Like a teenage girl?
Moff Nur: Well, not entirely unlike a teenage girl, I suppose.
Solche direkten Dialogwiedergaben sind eher selten, meist beschreibt Vader "bloß" seinen Alltag und Frust mit der zunehmenden Verdummung seiner Untergebenen. Dabei folgt der zeitliche Verlauf der klassischen Trilogie. Sie zeigt, wie Vader versucht in Palpatine's Auftrag die Rebellen zu besiegen und wie er dabei das erste Mal seit Jahren auf eine Person aufmerksam wird, die mit der Macht gesegnet zu sein scheint.

Diese Person ist offensichtlich Luke, sein Sohn, aber das weiß Vader zu dem Zeitpunkt noch nicht. Er fühlt bloß, wie die Macht von dem Jungen ausströmt und die Geschicke und Schicksale der Welt um ihn herum berührt, dass es eine wahre Freude ist.

Dem entgegen stehen die lapidar erwähnten Folter- und Verhörmethoden, welche Vader Hinweise auf die Rebellen geben, die aus Missmut über Inkompetenz mit Gedankenkraft zerstörten Luftröhren und seine berühmte Nachahmung des toten Mace Windu. Man kann problemlos glauben, dass Vader ein Monster ist, aber eben auch ein Mensch.

Und ehrlich gesagt ist die Idee ungemein erfrischend! Witzigerweise wurde durch die neue Star-Wars-Trilogie erst die Möglichkeit für diesen Blog geliefert, denn in den drei chronologischen Vorgängerfilmen wird der Wandel des etwas naiven Jungen Anakin Skywalker zu dem klassischen Widersacher schlechthin erzählt. Und wie es der Archetyp verlangt, erhält Vader ja bekannterweise zum Schluss auch die Möglichkeit, Buße zu tun und Reue zu zeigen.

Was mich persönlich aber noch mehr fasziniert hat, war die Beschreibung der Macht. Wie sie in Wogen von Sternen ausgeht und doch erst auf Planeten so richtig in Fülle vorkommt. Wie ein Planet durch die Augen der Macht gesehen nur eine hohle Kugel ist, deren Oberfläche leuchtet und ein strahlendes Geflecht nach innen und außen streckt. Wie Ereignisse einen Schatten voraus werfen und an sich unbedeutende Personen mit einmal von leichten Verästelungen der Macht berührt werden, welche eine zukünftige Bedeutung bedeuten können, aber deren Wahrscheinlichkeit und Kausalität noch nicht bestimmt sind.

Das war es, was mich wirklich überrascht und gefreut hat.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass der Blog seit Jahren abgeschlossen ist (man also in einem Rutsch durchlesen kann) und die dort bereit gestellte PDF noch Bonusmaterial enthält.

Titel: The Darth Side: Memoirs of a Monster

Autor: Chester Burton ("Cheeseburger Brown")

Sprache: Englisch (einfach-mittel)

URL: http://darthside.blogspot.com/

PS: Bester Beweis wie gut Memoirs ist: ich habe eben aus Versehen noch einen Eintrag über Memoirs verfasst, fünf Monate später. 

Sonntag, 18. Dezember 2011

Das Leben ist kein Streichelzoo

Ehrlich gesagt, habe ich spontan das Original "squirrel seeks chipmunk" statt der deutschen Übersetzung gekauft, weil... nun ja, der Titel war einfach herrlich absurd ansprechend und gepaart mit der Coverillustration... Es war ein Hüftschuss, der sich gelohnt hat!

Doch um was geht es eigentlich: Im Prinzip schreibt David Sedaris eine Anzahl an kurzer Geschichten mit Tieren als Hauptcharakteren. Man kann ihnen problemlos einen fabelartigen Charakter zuweisen, ohne sich allzeit von dem literarischen Begriff der Fabel selbst zu entfernen. Oftmals haben die Geschichten eine Moral oder Lektion, die offen genug ist, dass die meisten Leser sie ohne weiteres erkennen können.

Als Beispiel sei einfach die Geschichte der mutterlosen Bärin erwähnt. In ihr stirbt die Mutter der Bärin unerwartet und letztere ist geschockt und traurig. Doch basierend auf den Reaktionen ihrer Mittiere, dass ihre Mutter so plötzlich fort war, drückt die Bärin auf die Tränendrüse und baut ihr ganzes Wesen um diesen tragischen Vorfall auf. Als ihre Mittiere dann langsam die Mitleidstour leid sind, entschließt sich die Bärin umzuziehen dorthin, wo ihre Nachbarn wieder Verständnis für die ach so arme Bärin haben werden.
Schließlich setzt sie dem ganzen die Krone auf, als sie ihre traurige Geschichte mit mittlerweile falscher Trauer einem Artistenbären erzählt, der grün-und-blau geschunden, mit ausgeschlagen Zähnen für Publikum tanzen muss. Er hat kein sonderlich großes Mitleid, befindet er sich selbst doch in einer vergleichsweise schlechteren Position. Die Artisten selbst greifen die Gelegenheit beim Schopfe, töten ihren alten Bären und schnappen sich die trauernde Bärin. Nachdem sie sie ebenso "gezähmt" haben wie den Vorgänger, tanzt nun die Bärin für das Publikum und nuschelt durch bloßes Zahnfleisch und Maulkorb die Geschichte ihrer Mutter, wie sie doch ach so plötzlich starb...

Was ich an der deutschen Version gelesen habe, erscheint mir die Übersetzung gelungen und passend. Das Lesegefühl ist gut wieder gegeben, was nicht so leicht ist, wie man annehmen sollte.
Davon abgesehen, das Buch liest sich einfach schön – viele der hintergreifenden Gedanken der handelnden Personen werden veranschaulicht, und effektiv die Handlungsweise verschiedener Menschen persifliert. Was für den einen als wendehälsisches Verhalten erscheint, ist für den Wendehals mitunter nur zu logisch und somit für den Leser nachvollziehbar.

Ein erwähnenswertes Merkmal ist übrigens noch, dass anscheinend Tiere mit Tieren reden können, aber idealerweise ein Raubtier nicht unbedingt sich auf einen Plausch mit seiner Nahrung einlassen sollte. Je nach Gewissen des Raubtieres, hat es dann vielleicht Reue oder dergleichen nach dem Verzehr.

Als Fazit kann ich sagen, dass das Buch mehrere Themen und Verhaltensweisen anschneidet, die einem mitunter unangenehm sind - Die Mitleidsheischer, beispielsweise, oder auch der gewalttätige Ehemann - und einen interessanten Einblick in deren Verhaltensweisen und Gedankengänge gewähren. Mir hat's gefallen.

Titel: Das Leben ist kein Streichelzoo

Autor: David Sedaris

ISBN: 978-3896674449 (gebunden, keine Taschenbuchausgabe)