Freitag, 30. September 2011

Bobwhite

In einer Stadt in Neuengland sind drei junge Frauen mehr oder weniger beste Freundinnen, und der Webcomic beschreibt im wesentlichen ihr Leben und das persönliche Wachstum – oder Stagnation – der drei und ihrer Clique in ihre Jahren des Studiums an der Bobwhite University.

Bobwhite ist eine Art der in Nord- und Südamerika heimischen Zahnwachteln und der Name einer fiktiven Universität in Providence, Rhode Island, USA. Sie ist das Pendant zur Rhode Island School of Design, einer Hochschule mit künstlerischer Ausrichtung. Die drei Hauptcharaktere, Cleo, Ivy und Marlene, haben dort jeweils Kurse belegt (Industriedesign, Illustration und Film, respektive) und der Webcomic folgt ihrem Studienalltag mit einem Fokus auf die Spinnereien und Interaktion der drei Untereinander sowie deren Freundeskreis.

Marlene ist das giftige, von sich selbst überzeugte Filmgenie und schnell mit Beleidigungen bei der Hand.

Ivy ist sehr letharg und entspannt und fährt trotzdem gute Noten ein, was ihr Cleo nur eine Winzigkeit übel nimmt.

Cleo ist ein halb-neurotischer Blondschopf, die Videospiele entwickeln will und sich sehr viele Gedanken um alles mögliche macht. Und vermutlich ein Roboter, wenn man ihr Arbeitspensum betrachtet.

Trotz oder vielleicht auch aufgrund dieser Differenzen kommen die drei sehr gut miteinander aus und stützen einander, wenn sie sich nicht freundschaftlich Schimpfwörter an die Stirn knallen.

Also, was macht den Comic so besonders?

Das sind viele, viele kleine Elemente, die ich nur versuchen kann hier aufzuzählen. Fangen wir einfach mal beim Stil an.

Magnolia Porter, die Autorin und Zeichnerin, zeichnet die Charaktere sehr lebendig und lebhaft, so dass ihre Gefühlsregungen oftmals keiner Sprechblasen bedürfen, sondern der Gesichtsausdruck allein schon die inneliegende Emotion rüberbringt.
Die pastelartige Koloration unterstreicht dabei diese Stimmungen nur zu gut.

Ein großer Pluspunkt ist zudem die Charakterisierung. Cleo beispielsweise ist ein Nerd, weiß dies, aber versucht trotzdem verzweifelt cool zu sein, ohne voll auf die Fresse zu fliegen damit. Vielmehr lernt sie langsam, mit ihren sozialen Ansprüchen und Realitäten umzugehen und schlussendlich so weit zu wachsen, dass sie sowohl Nerd sein, aber auch gleichzeitig eine gute Party schmeißen kann. Dass sie dabei die cholerische Marlene heimlich cool findet, zeigt nur den Realismus in ihrem Charakter.
Überhaupt ist keiner der Haupt- noch Nebencharaktere überdreht oder überzeichnet. Bei vielen kann man ohne weiteres Züge von seinen eigenen Freunden oder zumindest umgebenden Menschen erkennen, ohne die Augen dafür allzu sehr zusammen kneifen zu müssen.

Davon abgesehen ist die Handlung erfrischend normal. Es gibt keine Aliens, Monster, Elfen, oder sonstige Absonderlichkeiten, die man als Alltagsfantasy oder dergleichen bezeichnen könnte, sondern einfach nur Tag-für-Tag-Geschichten, die aber trotzdem fesselnd sind. Allerdings sind die Handlungsstränge auch dementsprechend mondän – Es geht um Kunstprojekte, Abschlussprüfungen, Männer und was halt das Leben eines Collegestudenten bewegt.

Zum Schluss noch etwas, was insbesondere bei weboriginären Inhalten angemerkt werden muss: Der Webcomic ist abgeschlossen, und es gab per se fünf Updates pro Woche, also braucht man ein bisschen Zeit, bis man das Archiv durchgelesen hat.

Titel und Link: Bobwhite

Genre: College, Uni, Tag-für-Tag, Drama

Sprache: Englisch

Seiten: ca. 700, größtenteils koloriert

Veröffentlichungszyklus: Abgeschlossen

Autorin: Magnolia Porter

Donnerstag, 29. September 2011

Evangelion 1.11

1995 veröffentlichte das japanische Animationsstudio Gainax eine Serie, die eine ganze Generation an Anime prägte und dem Genre der Mecha-Anime neues Leben einhauchte. Allerdings war die Handlung gewissermaßen kranke Scheiße. Psychisch auffällige Kinder steuern riesige Roboter zur Rettung der Menschheit, mit vielerlei Betrachtung der geistigen Zustände besagter Kinder und einem großen Schuss pseudoreligiöser Anspielungen garniert.

Doch der - passend bezeichnete - Rebuild of Evangelion überarbeitet viele Manko der alten Serie, setzt ein Budget ein, das dem epischen Auftritt gerecht wird und steigert die Animationsqualität auf hohes Kinoniveau.

Inhalt

Im Jahre 2000 explodierte ein sogenannter Engel am Südpol und löste damit eine Katastrophe bisher ungekannten Ausmaßes aus. Große Teile der Erdbevölkerung starben, ebenso alle ozeanischen Lebewesen und das Meer färbte sich dauerhaft rot.

15 Jahre später wird Shinji Ikari von seinem entfremdeten Vater nach Neo Tokyo 3 gerufen. Kaum angekommen wird er Zeuge, wie ein riesiges Monster ein unglaubliches Bombardement an Waffen und Munition einfach wegsteckt, bis er kurz darauf von Lieutenant Colonel Misato Katsuragi abgeholt zu werden.

Das riesige Monster ist anscheinend ein Engel, und Shinji soll gegen diesen aus einem gleichermaßen großen, menschenartigen Kampfmaschine auf Befehl seines Vaters hin kämpfen. Weigert er sich zuerst, so übernimmt er doch den Pilotensitz, als sein Ersatz, das sich vor Verletzungen und Schmerzen krümmende, gleichaltrige Albinomädchen Rei Ayanami, ihm vor Augen geführt wird.

Der Kampf ist kurz, brutal, und äußert schmerzhaft. Die Konstruktion des Menschenungetüms ist so ausgelegt, dass der Pilot es mit Gedanken steuern kann, aber diese Nähe geht auch rückwärts – Verletzungen des biologischen Konstrukts schmerzen auch den Piloten, selbst wenn die Verletzungen selbst nicht übertragen werden.

In der Schule schließlich residiert auch bloß die Shinji bereits bekannte Einsamkeit, doch lernt er es langsam, sich ein wenig zu öffnen. Für ihn unerwartet gewinnt er sogar Freunde.

Diese werden auch prompt beim Kampf gegen den fünften (für Shinji zweiten) Engel in Gefahr gebracht. Bei der Evakuierung der Zivilisten widersetzt sich Shinji dann dem direkten Befehl Katsuragis und greift den Engel frontal an.

Nach der offensichtlichen Rüge wegen Fehlverhaltens und Befehlsverweigerung im Schlachtfeld reißt Shinji aus und wandert in Gedanken versunken ziellos durch die Stadt und Umgebung.

Doch das war bei weitem nicht der letzte Engel und Shinji's Weigerung in einen Eva zu steigen ist der Bedrohungssituation nicht gerade förderlich...

Hintergrund

Wie eingangs erwähnt basiert die Rebuild-Reihe der Kinofilme auf dem Material der Fernsehserie und wahrscheinlich auch der Kinofilme und hält sich recht nah an die Vorlage. Im ersten Kinofilm kommen keine neuen Engel vor, aber es zeigen sich doch definitiv Änderungen im Vergleich zum Original – beispielsweise im rotgefärbten Meer. Ist man den Kanon gewohnt, muss man sich nicht großartig umgewöhnen.

Positiv hervorgestochen hat das verminderte Verweilen auf die Psyche der Kinder – sie habe zwar vielfach Probleme, aber die hat die Welt auch, und obgleich ihnen Augenmerk geschenkt wird, geht darüber nicht der Film verloren.
Shinji ist einsam und hat Berührungsängste, Rei (die verletzte Alternativpilotin) ist Emotionen an sich nicht gewohnt, diese Themen werden angeschnitten aber im Gegensatz zur TV-Reihe will man sich nach dieser Version nicht von der nächsten Brücke schmeißen (im übertragenen Sinne, versteht sich).

Von den Effekten und der Animation kann ich nur sagen, dass alle Register gezogen, aber noch nicht aufgelegt wurden. Viele Effekte und Animationen sind sehr gut in die gezeichneten Hintergründe eingearbeitet, so dass sie nicht negativ auffallen. Ich weiß nicht, wie viele Szenen neu animiert oder ersetzt wurden, aber der Qualitätsanstieg macht sich überaus positiv bemerkbar.

Shirō Sagisu, der Komponist und zuständig für den Soundtrack, zeigt was man mit einem ordentlichen Budget und epischem Ansatz erreichen kann, wobei mir da der zweite Teil streckenweise sogar noch besser gefällt.

Da man das anmerken sollte, auch die Synchronisation ist sehr gelungen. Die Sprecher sind professionell und größtenteils die gleichen wie aus der TV-Serie, mit Ausnahme von Misato und Rei. Die Abmischung ist ein Stückchen lauter als das Original, falls man also zwischen den Sprachversionen wechseln will, sollte man den Lautstärkeregler bereit legen, falls es einem zu laut/leise wird.

Fazit

Allein schon aufgrund der ungemeinen Qualität würde ich den Film empfehlen, aber man sollte immer im Hinterstübchen haben, dass es noch drei weitere Filme geben wird, wovon der zweite schon draußen (und auch in Deutschland veröffentlicht) ist und die letzten beiden Teile frühestens im Herbst 2012 in Japan erscheinen werden.

Titel: Evangelion:1.0 – You are (not) alone.

Regisseur: Hideaki Anno

Länge: 98 Minuten (Blaustrahl etwas länger)

Rezensionsexemplar: Evangelion:1.11 – You are (not) alone. auf Blaustrahl

Mittwoch, 28. September 2011

Limbo

Als Limbo, auf Deutsch Limbus, bezeichnet man einen Ort diesseits der Hölle aber jenseits des Lebens, an dem sich jene Seelen aufhalten, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen wurden. Dementsprechend wirkt das gleichnamige Spiel auch.

Inhalt

Man spielt einen kleinen Jungen, der in einer silhouetten Welt erwacht. Ohne zu wissen, wie man in diesen wunderlichen Wald gekommen ist, macht man sich auf den einzigen möglichen Weg. Über einen umgestürzten Baum hinweg rutscht man einen Hang hinab, überspringt eine mit Speeren gespickte Grube, übersteigt ein Konstrukt und passierst mit einem Boot ein seichtes, bedrohliches Gewässer.

So geht das im Wesentlichen weiter und nie erhält man eine Erklärung für das Geschehen. Weder von der gruseligen Spinnen, die einen mit ihren Beinen aufspießen, noch von den gruseligen Kindern, die Fallen bauen und mit Speer und Blasrohr Jagd auf einen machen. Stets geht es voran, durch den Wald, Höhlen- und Stadtlandschaft die alle so surreal sind, dass man es mit der Angst kriegt.

Kreaturen jagen ein, Maschinen rasen auf und ab, hin und her, mit dem offensichtlichen Ziel dem Jungen sein Leben zu nehmen. Es ist wunderbar furchteinflößend.

Spielelemente

Das Spiel ist in 2D gehalten, mit den bekannten 3D-wirkenden Hintergründen. Man steuert den Jungen auf seinem Weg durch die schwarz-weiße Welt und muss stets darauf achten, dass an dem Hang, den man gerade herunter rutscht, wahrscheinlich eine Fallgrube ist, dass Hebel nicht so funktionieren wie man unbedingt auf den ersten Fall annimmt und der Tod garantiert ist.

Der Schwierigkeitsgrad kommt nicht von ungefähr - beginnt der Anfang noch relativ großzügig, was die Bedrohungen angeht, so wird es mit der Zeit immer verzwickter, die Sprünge über Abgründe nicht weiter, sondern knapper, und mehr als einmal wird man beinahe sterben, bloß um dann wegen einer anderen Dusselei drauf zugehen.
Nicht umsonst erhält man eine/n der Trophäen/Erfolge für das Durchspielen mit nicht mehr als 5-maligem Sterben.

Der Soundtrack ist äußerst minimalistisch und besteht an und für sich ausschließlich aus den Geräuschen - Schritte, Maschinenkreischen, Spinnenbrummen, sowas halt. Nur in ausgewählten Bereichen unterstreichen sphärische und bedrückende Stücke die Stimmung.

Fazit

Ein Spiel zum Gruseln, im positiven Sinne. Ich mag kein Resident Evil oder solche Spiele, wo mich was erschreckt, und Limbo tut dies zwar mitunter, aber so passend, dass ich es verzeihen kann. Schade, dass es so schnell vorbei ist - wenn man keine Fehler macht, kann man es in einer Stunde durchspielen - aber immerhin stirbt man oft. Ergo, lohnt sich, aber spielt es im Dunkeln!

Titel: Limbo

Entwickler: Playdead

Genre: Grusel, Jump&Run, Rätsel



Dienstag, 27. September 2011

Four Lions

“Three Lions on a shirt, Jules Rimet still gleaming, ..."

Moment, nicht ganz. An sich noch nicht Mal ansatzweise. Der einzige Zusammenhang ist England, ein Fussball für ein paar Sekunden und das war es auch schon. Denn Four Lions ist rabenschwarz im wahrsten Sinne des Wortes, es kommen Raben vor und der Humor ist tiefschwarz. Was erwartet man aber auch von einem Film über idiotische Selbstmordattentäter?

Inhalt

Omar, Barry, Waj und Feisal sind mehr oder wenige junge Muslime, die ihr Leben für ihre Religion opfern wollen. Allerdings sind sie nicht gerade die frischsten Äpfel in der Theke.

Alle vier wollen die Ungläubigen bei Selbstmordattentaten in die Luft sprengen und ein Zeichen setzen, bloß bei der Auswahl des Zeichens fängt der Streit schon an. Barry, weißer Konvertit, den man am Besten mit einem fleischgewordenen Internettroll vergleichen kann, will eine Moschee als Ziel nehmen und die Schuld den Feindes des Islam in die Schuhe schieben. Wieso er dann aber ein Bekennervideo aufnimmt, weiß wohl nur er.

Faisal hat die Grundlagen für den Sprengstoff besorgt, also alles im gleichen Laden über einen mehrjährigen Zeitraum zusammen gekauft. Und dabei verschiedene Stimmen benutzt, damit er als unterschiedliche Personen wirkt, darunter eine vollbärtige Frau. Sein religiösen Ratschläge erhält er von seinem Vater.

Waj ist ein Kindsmann, das auch in Pakistan nach Osten betet, wie er es in England getan hat. Im wesentlichen hat er als einziger einen halbwegs brauchbaren moralischen Kompass und einfach falsche Freunde.

Omar, nun ja, ist an sich der Kopf der Bande und die ideologische Stütze. Er ist der am festesten in der Realität verwurzelte mit Frau und Sohn, festem Job und brauchbarem Bildungsniveau, aber er ist kein Genie.

Dennoch ist er es im Prinzip, auf dessem Mist die ganze Idee mit den Selbstmordattentaten gewachsen ist, er hat die Kontakte (sprich: einen Onkel) nach Pakistan für eine Ausbildung, und er ist es auch, der Waj Richtung und Ziel vorgibt, denn letzterer ist nicht gerade zum Denken geboren.

Der Film besteht im Prinzip daraus, den vieren zuzuschauen, wie sie sich auf ein Selbstmordattentat vorbereiten, von dem sie keine Ahnung haben, wo oder wann es stattfinden soll. Sie stellen Nitroglycerin her, sprengen eine Mikrowelle in die Luft, Faisal sprengt sich und ein Schaf in die Luft und im wesentlichen sterben alle.

Meinung

Dies ist der erste Film seit langem, wo ich mich schlecht dafür gefühlt habe, mich nicht für den Tod anderer, unschuldiger Menschen schuldig und mitleidig zu fühlen und stattdessen lauthals zu lachen und bald vom Kinosessel zu fallen. Häusliche Szenen einer intakten Familie wechseln sich ab mit einer Gutenachtgeschichte, bei der Simba (aus Der König Der Löwen) als Märtyrer dargestellt wird, der aus Versehen Mufasa mit einem Stein erschlagen hat.

In seinem Humor kennt Chris Morris kein Pardon, selbst beim Aufsammeln der Reste von Faisal nicht. Szenen, wo man an sich denken sollte, 'das kann man doch nicht machen', macht Morris genau das und setzt noch einen oben drauf. Der Film ist auf keinen Fall etwas für die humoristisch zart besaiteten. Überraschend war in meinen Augen aber auch die charakterliche Entwicklung von Omar, aber mehr will ich nicht verraten.

Schade war die in der Mitte auftretende Trägheit, aber sie wird wett gemacht durch das Finale.

Fazit

Für diejenigen, die unter Schadenfreude mehr verstehen als "Happines in the misfortune of others", lohnt sich der Film definitiv.

Titel: Four Lions

Regisseur: Chris Morris

Länge: 100 Minuten

FSK: 16

Montag, 26. September 2011

Arschkalt

Tja, das ist nicht das Wetter (zumindest noch nicht), sondern der Titel des Films. Worum es geht? Um Berg, Verkaufsfahrer eines Bofrostverschnitts in Norddeutschland, seines Zeichens überaus unglücklich und gelinde gesagt, ein Arsch. Und das macht den Film interessant. Die miese Laune der Hauptperson kann gar nicht anders als jedem trocken auf den Schlips zu treten, sei das der neuen Chefin oder dem grausigen neuen Beifahrer. Aber fangen wir doch von vorne an...

Inhalt

Rainer Berg war der Erbe eines deutschlandweit führenden Unternehmens, das Tiefkühlapparaturen produziert. Berg ist Auslieferfahrer des Tiefkühlkostversands "Mr. Frost". Wie auch immer es vom einen zum anderen kam, auf jeden Fall ist der immer grantige Mann Tag seines Lebens stets unter Null Grad Celsius geblieben, und wehe seine Ware wich auch nur Zehntelgrade vom Optimum ab! Als eine neue Managerin seine Vorgesetzte wird, ändert sich der Griesgram nicht, ganz im Gegenteil - zur Chefin ist er genauso kaltschnäuzig wie zu dem ihm zur StrafeUnterweisung aufgebrummten Beifahrer Tobias Moerer. Dessen Name ist Geschäft - er ist voll die Möhre, was ihn aber keineswegs in seinem Optimismus trübt. Stets um gute Laune bemüht, versucht er seinen fahrenden Eisklotz aufzutauen, und man mag es kaum glaube, es gelingt ihm. Ein bisschen. Zusammen mit der Chefin Lieke, die den Worthieben problemlos Paroli bietet, schaffen sie es, die Eisschale von dem Griesgram zu kratzen (bloß um darunter weiteren Permafrost zu finden).

Als Berg schließlich seinem im Heim lebenden Vater eine Freude machen will/muss, wendet er sich an die beiden neuen Freunde...

Anderes

Verspricht der Trailer eine durch Wortgefechte getragene Lokalkömödie, so ist es in der Realität doch anders.

Berg, der vor seinem Vater den Verlust des Familienbetriebs bereits seit Jahren verschweigt.

Der Vater, der Berg nicht von seinem tödlichen Krebs erzählt.

Moerer, der im Wunsch um Anerkennung vorschnell handelt und damit Lieke schadet.

Wenn man die Geschichte aus der Entfernung betrachtet, dann ist es eine Erzählung, wie sie in jeder Stadt vorkommen könnte, denn die Archetypen sind altbekannt. Dies tut dem ganzen allerdings keinen Abbruch, sondern vielmehr werden die Charaktere dadurch nahbar, denn sie entpuppen sich als Menschen aus der Nachbarschaft. Menschen wie du ich ich, wie der Frisör von nebenan oder der allmonatliche Bofrostmann. Bloß, weil wir sie nicht so oft sehen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht die gleichen ereignisreichen und tristen Leben führen wie wir.

Fazit

Ich weiß gar nicht, wie ich den Film einordnen soll. Das Wort Provinzposse könnte passen, oder auch Lokalkomödie, aber irgendwie wird es dem zu wenig gerecht.

Wahrscheinlich müsst ihr euch selbst eine Meinung bilden, aber lasst euch eins gesagt sein: Der Humor ist schwarz und staubtrocken.

Titel: Arschkalt

Regisseur: André Erkau

Länge: 89 Minuten

Donnerstag, 22. September 2011

20th Century Boys

Was geschieht, wenn man die Heldengeschichten, die man sich als Kind ausgedacht hat, Wirklichkeit werden? Denn genau dies passiert in 20th Century Boys. Eine Rasselbande erfindet eine Böse Organisation, welche die Welt vernichten will und der sie sich selbst als Helden entgegenstellen müssen. Als es dreißig Jahre später wirklich dazu kommt...

Inhalt

Es ist der Sommer 1970 und Kenji und seine Freunde verbringen die Sommerferien in einem Geheimversteck, das sie sich auf einem Feld gebaut haben. Die kleine Gruppe liest dort gegenseitig mitgebrachte Manga, spielen Helden und Schurken und haben an sich einen Heidenspaß.

1997 drängt Kenji's Schwester ihm aus unerfindlichen Gründen ihre wenige Monate alte Tochter auf und er trägt sie fortan während der Arbeit im familiären Franchise-Konbini (eine Art Tante-Emma-Laden in groß) herum. In Afrika scheint es eine Seuche zu geben, die allen das Blut aus dem Körper treibt und im Großen und Ganzen für die Allgemeinheit nicht von Interesse ist. Als ein Schulfreund stirbt und Kenji einen mysteriösen Brief hinterlässt, fängt Kenji an der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Brief enthielt ein Zeichen, eine weisende Hand vor einem Auge, welches ihm bekannt vorkam, und dann erinnert sich Kenji an die alten Heldengeschichten aus dem Geheimversteck. Doch wer ist der Zeichendieb, dieser sogenannte "Freund", und wieso verwendet der IHR Zeichen? Stück für Stück erschließt sich Kenji, dass die Geschichten, welche sie sich als Kinder ausgedacht hatten, Wirklichkeit werden...

Hintergrund

Man mag ja sonst nichts von Manga halten, aber 20th Century Boys ist problemlos ein Magnum Opus nicht nur von Naoki Urasawa sondern für das ganze Medium. Vielfältige Personen mit eigenständigem Charakter, eine Erzählspanne von 50 Jahren, Rückblicke, Vorschauen und das alles in meisterhaften Ausführung. Ist man normalerweise bloß die Standardgesichter mit variierenden Frisuren oder Kleidung als Unterscheidungsmerkmal gewohnt, so sind bei 20th Century Boys die Charaktere allein schon vom Gesicht, aber auch Statur so individuell, ohne dabei überzeichnet zu sein, dass man anhand der Gesichtszüge die Kinder von damals und Erwachsenen von heute erkennen kann.

Sich bloß auf diesen Aspekt zu konzentrieren, würde der Handlung und Geschichte aber nicht gerecht werden. Urasawa zeichnet das Bild einer realistischen Entwicklung von dem uns vertrauten System hin zu dem realistischen diktatorischen Konstrukt einer staatsbeherrschenden Schurkenorganisation. Er nimmt dieses an sich absurde Konzept und lässt es nachvollziehbar Wirklichkeit werden, stets auch mit den notwendigen Kompromissen im Hintergrund. Wenn etwas physikalisch unmöglich oder finanziell nicht tragbar wäre, dann wird eben geschummelt für den Anschein und die Schummelei sowohl dem Leser als auch der Hauptfigur gezeigt.

Dabei lässt er sich aber genügend Zeit und quetscht das ganze nicht in einen Rahmen, dem man nur mit größter Not folgen kann. Stattdessen nahm er sich die Muße um 24 Bände für die ganze Geschichte mit Epilog zu brauchen.

Übrigens, Naoki Urasawa zeichnet sich auch verantwortlich für den in Deutschland spielenden Manga Monster.

Fazit

Die Handlung ist monumental, die Charaktere tiefgründig, der Verlauf glaubwürdig, was will man mehr? Und falls einer an dem Erwerb der Bände interessiert ist: Teilweise wurden die Bände nur auf Anfrage gedruckt (Print-On-Demand), also viel Glück!

Titel: 20th Century Boys (22 Bände), 21st Cenrtury Boys (2 Bände)

Autor: Naoki Urasawa

Verlag: Planet Manga

Montag, 12. September 2011

Crazy, Stupid, Love.

An und für sich war der Plan Die Drei Musketiere zu schauen, aber aufgrund von Problemen mit dem Verleih ging das leider nicht, also lief stattdessen Crazy, Stupid, Love. Und er war toll!

Inhalt

Cal Weaver hat Kinder, Haus und Ehefrau und lebt im Prinzip ein typisches, amerikanisches Leben, als eben seine Frau bei der Frage nach dem Dessert im Restaurant die Scheidung bestellt. Natürlich steht er anschließend völlig neben sich, aber er gibt genauso kampflos auf, seine Frau Emily, sein Haus, seine Kinder, sie möge doch bloß von ihrem Fremdgang mit ihrem Arbeitskollegen David Lindhagen schweigen.

Jacob ist ein Womanizer, wie er im Buche steht, mit variabler Masche, guter Methode, prächtigem Haus und einem ausschweifendem Nachtleben. Üblicherweise schleppt er Eroberung in einer Edelbar ab.
Genau diese Bar sucht sich Cal aus, um über sein Leid, Lindhagen, Emily, Lindhagen, seine Kinder und Lindhagen zu klagen. Jacob nimmt sich aus Mitleid Cals an - er verpasst ihm ein modisches Update, bringt ihm Flirten bei, und weiht ihn in seine Methode ein.

Es führt zum Erfolg, wenn man es so nennen will. Cal reißt mehrere Frauen auf während Jacon selbst irgendwie an eine Nicht-Eroberung gerät, für die er gerne Pantoffeln anziehen würde.
Habe ich schon von dem Sohn erzählt, der in die Babysitterin verknallt ist, die in Cal verschossen ist, erzählt? Nein? Es ist halt so ein Film...

Anderes

Cal Weaver wird von Steve Carell (Jungfrau (40), männlich, sucht...) gespielt, Emma Stone aus Zombieland macht mit, Kevin Bacon ist der Hörnende - insgesamt alles gut besetzt und um es nochmal zu sagen, ich habe mich weggekringelt. Vielfach ist der Film aus Der Handlung und dem Zusammenhang heraus witzig und nicht durch irgendwelche Slaptstickeinlagen oder dergleichen. Zudem hat der Film einen romantischen Grundtenor, alles hat irgendwo mit Liebe und deren Verlust zu tun, aber alles auf eine so wunderbar belustigende Art und Weise, dass es einfach Spaß gemacht hat zuzuschauen.

Fazit

Würde man bei dem Titel normalerweise einen Film vermuten, zu dem einen die Freundin überreden muss, so steht er auf fest genugen Beinen, dass Mann ihn sich auch solo angucken und Spaß haben kann.

Titel: Crazy, Stupid, Love.

Länge: 118 Minuten

Regisseurduo: Glenn Ficarra und John Requa

FIlmzitat: Über das reale Sixpack: "Das sieht aus wie Photoshop!"

Mittwoch, 7. September 2011

Super 8

Der erste Gedanke nach dem Verlassen der Vorstellung war, dass ich keine Probleme hätte den Film noch ein weiteres Mal zu sehen, und dass er wahrscheinlich nicht so schnell alt oder überdrüssig werden würde wie andere Filme.

Inhalt

Es ist das Jahr 1979. In einem kleinen Nest in Ohio wollen fünf Jungs für ein kleines Festival einen Film drehen, und als den Regisseur Charles, die Inspiration küsst, wird kurzerhand die Hilfe von der gleichaltrigen Alice in Anspruch genommen. Sie wiederum stößt sich daran, dass Joe, der Sohn des Hilfssheriff, sie beim Fahren des Autos ihres Vaters gesehen hat - sie hat weder gefragt, noch einen Führerschein. Schließlich überwindet sie sich und alle sechs fahren zu einem auswärtigen Bahnhof, um dort eine Szene zu drehen.

Ein heran fahrender Zug wird schnell als Hintergrund genutzt, als es passiert - ein Pickup fährt frontal auf die Gleise, hält auf den ihm entgegenrasenden Zug zu, und kollidiert mit ihm. In der folgenden, actiongeladenen Entgleisung fliegen Waggons durch die Gegend, Treibstoff explodiert und am Ende sehen wir Joe durch das Desaster irren auf der Suche nach seinen Freunden. Dabei stößt er auf einen Waggon, dessen Ladung mehr als fragwürdig - sie versucht aus dem dicken Stahl auszubrechen. Joe selbst bekommt dies aber nicht zu sehen. Schließlich macht er sich auf die Suche nach seinen Freunden und findet sie auch bald.

Der Fahrer des Pickups entpuppt sich als Biologielehrer an der Schule der sechs und ob seines wunderhaften Überlebens des Unglücks warnt er die Kinder, kein Wort über die ganze Sache zu verlieren.
Die nächsten Tage in der Stadt werden seltsam - große LKWs der Air Force, welcher auch der Zug zuzuordnen war - fahren durch die Stadt, die Unglücksstelle wird von Soldaten inspiziert und bewacht. Stromausfälle und Metalldiebstähle häufen sich, Hunde fliehen aus dem gesamten Stadtgebiet, und Menschen verschwinden. Als dann auch noch der Sheriff mitsamt Wagen von einer Tankstelle sich scheinbar in Luft auflöst, muss Joe's Vater in die Bresche springen und übernimmt die Ermittlungen.

Hintergrund

Wenn man an Steven Spielbergs Filme denkt, mit denen er den Aufstieg seiner Karriere begann, also Perlen wie E.T. - Der Außerirdische, Unheimliche Begegnung der Dritten Art oder auch Die Goonies, dann stellt man fest, dass es genau diese Kerbe ist, in die der Film schlägt. Kinder auf dem Weg zur Jugendlichkeit und zum Erwachsen werden erleben ein Abenteuer, Monster sind in den Wäldern, der Wert von Freundschaft und erste Anzeichen von (romantischer) Liebe, all dies zeichnet den Film aus.

Die Regie hat zwar J.J. Abrams geführt, aber in Anbetracht des Werdegangs Spielbergs und der Parallelen zu Abrams eigenem Schaffen, kann man eine gewisse Ähnlichkeit nicht verhehlen - Abrams ist von der Stoffwahl seiner Filme Spielberg ähnlich, und die Patzer des Neulings können durch die Erfahrung des Altmeisters ausgeglichen werden. Ja, ich will sogar sagen, dass sie sich gut ergänzen. Man kann beispielsweise Abrams Cloverfield in der Kreatur wiedererkennen, aber auch die dämpfende Hand des Mitproduzenten Spielberg, wie er ihm eine Weisheit des Schreckens beibringt: »Der Mensch fürchtet am meisten, was er nicht sieht oder kennt. Zeige so wenig wie möglich!«

Fazit

Ein schwer einzuordnender Film, aber meiner Meinung nach trifft es Abenteuer noch am Besten. Super 8 enthält Grusel, Action, Romantik, Komödie, Science Fiction und was weiß ich noch alles. Er scheint - wie man es heutzutage nennt - eine Hommage an den frühen Spielberg zu sein. Prinzipiell kann ich den Film also jedem empfehlen, der Die Goonies mochte, aber auch den Abrams-Fans, wenn sie von einem Film, den die ganze Familie gucken kann, sich nicht abschrecken lassen wollen.

Titel: Super 8

Länge: 112 Minuten

Regisseur: J.J. Abrams

PS: Link zu zugehörigem Comic

Montag, 5. September 2011

Der letzte Zeuge

Viele, viele Personen gaben an, die letzten Tage, Stunden und Minuten des Führers Adolf Hitler miterlebt zu haben, seinen Zerfall, und im nachhinein prophetisch zu behaupten, man habe ihm den Untergang angesehen. Rochus Misch, Mitglied der Leibgarde Hitlers und verwendet als Telefonist, ist aber wohl einer der wenigen Menschen, die dieses mit Fug und Recht von sich behaupten können. Allein schon aufgrund seiner Position war er immer in der Nähe Hitlers und seines Führungsstabes, kannte viele Gesichter der unmittelbaren Umgebung und war mit einigen sogar vertraut.

Inhalt

Rochus Misch war als Junge bei einem Aufmarsch Hitlers in Berlin dabei und davon hin- und weg - nicht ideologisch, sondern von der schieren Beeindruckung des Spektakels. Dies war aber kein Grund dafür, in der Leibgarde Verwendung zu finden, sondern eher im Gegenteil, Misch machte eine Lehre, wurde eingezogen und kam erst später aufgrund seines Wesens - "macht keinen Ärger" - in Betracht, als eine Stelle in der Leibgarde neu zu besetzen war.
Dort angekommen übernahm er viele Aufgaben - Kurier, Leibwächter und Telefonist sind die häufigsten. So waren er und seine Kameraden es, welche die Depeschen direkt zu Hitler auf seinen Posthocker legten, wenn der Führer schlief, Misch war, der Hitlers Schwester mit einem Geburtstagsgeschenk besuchte, Und es war auch Misch, der an der Telefonanlage im Führerbunker saß, als die Leiche des ehemaligen Reichskanzlers im Frühjahr aus dem Bunker getragen wurde.

Hintergrund

Besonders hervorzuheben ist der Unwille Misch's, sich in den Vordergrund zu schieben - oftmals scheint es, als wäre er bloß ein unbeteiligter Beobachter, der die Geschehnisse um sich herum wahr nimmt und teilweise mit seiner Kamera aufzeichnet, aber er selbst keine wirklich handelnde Person. Und dennoch war diese unaufdringliche Person stets so nah am Zentrum des dritten Reiches, dass man oftmals nicht glauben mag, wie Misch trotz solcher körperlicher Nähe zur Macht erst während seiner Kriegsgefangenschaft von den Konzentrationslagern erfuhr. Der elementare Wesenszug Mischs, keinen Ärger zu machen, drückte sich Beispielsweise in einem bemerkenswerten Desinteresse aus, die überreichenden Depeschen zu lesen oder auch nur zu überfliegen.
Genauso interessant ist der Einblick in das allgemeine Leben auf dem Obersalzberg, in der Wolfsschanze, Im Führerhauptquartier und insbesondere der Umgebung des Führers. Die Taten des Regimes werden dadurch nicht geschmälert, sondern vielmehr wird eine Entmenschlichung - à la "Das waren Monster!" - erschwert. Es waren eben keine Monster, sondern Menschen wie du und ich.

Fazit

"Der letzte Zeuge" vermittelt ein erstaunlich gutes Bild darüber, wie das Leben in Hitlers Umfeld war und durch die Unaufdringlichkeit von Misch wird das ganze nur noch surrealer. Ich kann das Buch jedem anraten, der einen Blick darauf werfen will.Eine Biografie mit entrücktem Ich.
Titel: Der letzte Zeuge
Autor: Rochus Misch, Sandra Zarrinbal, Burkhard Nachtigall
ISBN: 978-3-492-25735-0
Verlag: Piper Taschenbuch
Seiten: 336